Ab diesem Jahr können Lehrer ihre Arbeitszimmer nicht mehr von der Steuer absetzen. Das führte zu einiger Empörung in den Lehrerzimmern, auch in Thüringen.
Denn seit dem Pisa-Test steht die Frage: Wo sollen Lehrer am Nachmittag eigentlich arbeiten? Daheim - oder in der Schule?
THÜRINGEN. 14.30 Uhr in der Gothaer Oststadtschule, einer Regelschule. Zusammenpacken im Lehrerzimmer, im Hausaufgabenraum klappen Schüler die Bücher zu. Feierabend. "Lehrer haben vormittags recht und nachmittags frei", steht im Zimmer des Direktors an der Pinnwand.
Zu dieser Zeit ist in einer Regelschule bei Schleiz Frau B. unterwegs. Sie sucht den Schlüssel für das Computerkabinett, um dort am Nachmittag zu arbeiten, Hefte zu korrigieren. Weil es in dem Fachraum keinen Kopierer gibt, muss sie wenig später, um ein Arbeitsblatt auszudrucken, ins Sekretariat. Das ist aber schon zu. Als sie sich bemüht, nun diesen Schlüssel zu beschaffen, stellt sie fest: Die ganze Schule ist geschlossen. Und sie sitzt fest.
Seit 1. Januar können Lehrer ihr Arbeitszimmer nicht mehr von der Steuer absetzen. Die naheliegende Lösung: Sie arbeiten nachmittags in der Schule. Das verlangen seit dem Pisa- Test Eltern und Bildungsex- perten eh. Lehrer könnten dort ja korrigieren, Stun- den vorbereiten, Zeug- nisse schreiben und anderes mehr. Kein angenehmer Gedanke für viele Lehrer. Sie wollen das einfach nicht. Zwar steht in der Thü- ringer Lehrerdienstordnung nicht so genau, wann ein Lehrer in der Schule zu sein hat - außer zum Unterricht. Aber die meisten wollen daheim arbeiten und bestehen darauf.
Dabei hat die Argumentation zur Lehrer-Anwesenheit in der Schule bis in den Nachmittag einiges für sich. Nicht von ungefähr sagt der einstige Schulleiter der Eliteschule Salem Bernhard Bueb: "Der Arbeitsplatz des Lehrers muss die Schule sein, auch am Nachmittag. Wo soll sonst die gemeinsame Unterrichtsvorbereitung stattfinden, wo können sich Lehrer und Schüler außerhalb des Klassenunterrichtes begegnen, wo und wann können Lehrer die vielen beratungsbedürftigen Eltern beraten?"
Gehört wird das in den Lehrerzimmern nicht gern, auch wenn Länder wie Bayern und Bremen Schulgesetz-Änderungen bereits heiß debattierten. Selbst das Bundesbildungsministerium meint: Ganztagsschule braucht Ganztagslehrer.
Doch selbst wenn die Thüringer Lehrer das akzeptierten - es ginge nicht. Die meisten Schulen haben gar keine Voraussetzungen dafür. 75 Zentimeter Tischplatte im Quadrat teilen sich in der Gothaer Ostschule beispielsweise zwei Lehrer. In einem 30-Zentimeter-Fach kann jeder ein paar Hefte verstauen. Computer gibt es nur in der Bibliothek und im Computerkabinett. Kein Platz für Schülerarbeiten, Nachschlagewerke, Schulbücher.
Dabei hat der Schülerrückgang ja Platz geschaffen, um Lehrer-Arbeitszimmer einzurichten. Die Schulen sind aber proppenvoll; zu viele wurden zusammengelegt. Das ist billiger. Echtes Interesse hat eh kaum jemand.
Nun erbost die Steuer-Neuerung die Thüringer Lehrer. Miete, Heizung, Ausstattung für ein Arbeitszimmer sind nicht mehr absetzbar. Der Lehrerverband TLV sogar entwarf einen zornigen Musterbrief, den em- pörte Pädagogen an Schulverwaltungen und Schulämter sendeten. Da heißt es un- ter anderem: "Ich wer- de mein bisheriges Arbeitszimmer aufgeben und umgestalten. Auch meine bisherige Ausstattung mit Elektronik wird zur kostenfreien Nutzung nicht mehr zur Verfügung stehen. Ich fordere Sie auf, mir an meiner Schule . . . einen amtsangemessenen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen." Ob es ehrlich gemeint war? Schließlich glauben schon jetzt viele Lehrer, sie seien - trotz Teilzeitarbeit - viel zu lange in der Schule. Im Sonneberger Landratsamt nahm man die Briefe durchaus ernst, denn für Einrichtung und Ausstattung eventueller Lehrer-Arbeitszimmer wären die Landkreise zuständig. Dazu wurden Landrätin Christine Zitzmann (CDU) zwölf Briefe übergeben. Vier Lehrer verlangten ein vom Kreis gesponsortes Arbeitszimmer. Die Abgeordneten waren empört. Zitzmann indes schien der Idee erst gar nicht so abgeneigt und wandte sich an die Landesregierung - und an das Bundesfinanzministerium.
Letzteres räumte ein, "dass die geltende Regelung überaus streitanfällig ist". Bei der "schwierigen Aufgabe der Haushaltskonsolidierung" ginge es aber nicht anders. Alle, auch die Landesregierung, verwiesen einstimmig darauf, die Landrätin ist allein für das Problem zuständig. Die Landkreise seien Schulträger.
Die aber haben kein Geld. Die Landrätin schrieb den vergnatzten Lehrern also, der "Wegfall der Vergünstigung begründe keinen Anspruch auf ein Arbeitszimmer in der Schule". Alle atmeten auf. Die Lehrer, weil sie nachmittags nicht in der Schule sitzen müssen, die Landkreise, weil sie auf ihre Finanznot verweisen können. Jetzt sagt auch der Lehrerverband, alles sei ja gar nicht ernst gemeint. Eine öffentliche Debatte scheut man nämlich. Zumal Steuerexperten erwarten, dass sich an der Neuerung noch einiges durch Gerichtsurteile ändern könnte.
Frau B. ließ sich übrigens vom Hausmeister befreien. Mit Hilfe des Handys, denn in der Schule wohnt der lange nicht mehr.
Unklar ist allerdings noch, ob die Lehrerin den "Notruf" steuerlich absetzen kann . . .